Gesamte Strecke: Ca. 60 km von der Estancia zur Schlucht und wieder zurück; 3 km Rundwanderung in der Schlucht
Auf zur Rabenschlucht
Nach unserem Frühstück brechen wir mit dem Auto zur Quebrada de los Cuervos, der Rabenschlucht, auf. Also durch vier Gatter wieder zurück, dann auf die Ruta 8 und dann zwischen km 307 und 306 beim Hinweisschild von der Ruta 8 auf die Sandpiste abbiegen. Nach 24 km soll die Einfahrt zum Park kommen. Auf dem Weg dorthin sehen wir grasende Kühe, Pferde, Schafe und Nandus.
Nach 27 km stehen wir vor einer undefinierbaren Weggabelung. Ein Schild zur Schlucht deutet in die Richtung, aus der wir gekommen sind. Das kann doch gar nicht sein!
Also lassen wir uns nicht beirren und fahren einfach weiter. Ein einsames Gehöft und eine verwaiste Schule weiter, also ungefähr drei km, kommen uns doch Zweifel. Bei der nächsten Abzweigung drehen wir um und müssen jetzt erst einmal ein paar Rinder, die meinen gerade jetzt ihre Weidegründe wechseln und dafür am besten die Straße nutzen zu müssen, vorbeiziehen lassen.
Tatsächlich finden wir nach sechs km auch prompt die Einfahrt zum Park. Da sind wir vorher wohl etwas zu flott daran vorbeigebrettert.
Eine Entscheidung mit ungeahnten Folgen
Nach der Registrierung beim Parkwächter erhalten wir von demselben zwei Vorschläge für eine Erkundung des Parks. Entweder 500 m bis zum Aussichtspunkt über die Schlucht oder ein drei km langer Rundweg mit einer Gehzeit von zwei Stunden. Beim Rundweg sollen wir etwas achtgeben. Wegen des Regens gestern könnte der Weg etwas rutschig sein. Mit dem Auto dürfen wir noch einmal zwei km bis zum zweiten Parkplatz fahren. Voll motiviert wie wir sind, entscheiden wir uns für den Rundweg.
Zur Einstimmung: Es geht aufwärts
Der Weg führt über Stock und Stein durch Flechten behangenen und mit sattem grünen Moos überzogenen Wald zunächst sanft bergan. Über mehrere schmale Wasserläufe führen uns kleine Holzbrücken immer weiter nach oben. Nach der letzten Brücke kommt der erste knackige Anstieg. Obwohl es bewölkt und feuchtkühl ist, kommen wir ganz schön ins Schwitzen und sind echt froh, als wir diese Hürde genommen haben.
Abstieg in die Schlucht
Jetzt geht es erst einmal eine Weile fast eben durch knapp mannshohe Sträucher und Bäume. Von hier hat man einen guten Blick auf die felsendurchzogenen kargen grasbewachsenen Hügelketten. Wasserrauschen kommt immer näher und plötzlich führt der schmale Pfad an dicken Seilen entlang steil nach unten. Die spitzen Steine und Felsbrocken, die den Abstieg bilden, sind wegen der Feuchtigkeit echt nicht ohne. An manchen Stellen kommen wir dem tosenden Abgrund schon gefährlich nah. Das war also mit peñasco (Berggrat) gemeint. Ich bin echt erleichtert, als wir heil unten beim Flusslauf angekommen sind. Ab jetzt geht’s ganz gemütlich am Wasserlauf entlang.
Überraschungen
Doch schon nach wenigen hundert Metern zeigt der Wegweiser nach rechts ins Flussbett. Ok, aber da ist doch gar kein Weiterkommen und ein Weg ist da auch nicht zu erkennen. Dafür viel schnell fließendes und an manchen Stellen ordentlich tiefes Wasser. Das soll wohl ein Scherz sein! Da kommen wir nie und nimmer durch!
Knut schlägt vor, dass wir das Flussbett verlassen und es den etwas oberhalb im Wald verlaufenden und eigentlich gesperrten Weg mal versuchen. Dieser Vorschlag erweist sich als rettende Lösung, kreuzt auch schon bald der vermeintliche Weg durchs Flussbett diesen Weg.
Nach ein paar Metern müssen wir einen schmalen Bachlauf – dieses Mal ohne Brücke – überqueren. Ich komme trockenen Fußes und unversehrt auf der anderen Seite an. Knut hat etwas weniger Glück und stößt sich Stirn, Augenlid und Wange an einem spitzen tiefhängenden Ast. Blut fließt. Aber nach einer kurzen Pause geht es auch schon weiter.
Wenn ich ein Gemslein wär‘ …
Und ab jetzt – wir haben wohl die Mündung der Schlucht erreicht – geht es nur noch bergauf. Aber wie! Wir müssen uns an Seilen über Steine und Felsen hochziehen. Dann wieder über Felsgrate krabbeln. Das Ganze gleicht mehr einem Klettersteig als einem Wanderweg. Und ich bin definitiv keine Bergziege! Bald schon merke ich, wie anstrengend und kräftezehrend diese Art von Aufstieg ist und ein Ende ist noch lange nicht in Sicht. Immer wieder müssen wir eine Pause einlegen und verschnaufen. Und das letzte Stück ist die Krönung und nochmal besonders steil. Noch einmal in einer letzten Kraftanstrengung am Seil hochziehen, dann stehen wir völlig außer Atem auf der hölzernen Aussichtsplattform.
Und jetzt ist mir auch klar, warum man den Weg nicht in umgekehrter Richtung gehen kann.
Am Ende
Die Aussicht von der Plattform ist grandios!
Aber wo sind denn bitteschön die Raben, die hier sein sollen und der Schlucht ihren Namen verliehen haben? Nichts zu sehen. So wie übrigens während der ganzen letzten zweieinhalb Stunden kein Tier zu sehen oder zu hören war. Und Menschen sind uns auch keine begegnet.
Nach einer angemessenen Pause nehmen wir die letzten 500 m in Angriff.
Geschafft! Wir sind zurück am Auto und am Ende unserer Kräfte.
Wenn ich resümiere: Jedes Mal, wenn ich dachte, wir hätten den schlimmsten Teil der Strecke hinter uns, kam immer noch ein größeres Schmankerl daher. Wenn ich vorher gewusst hätte, was da auf uns zukommt, hätte ich wahrscheinlich nur die 500 Metertour machen wollen, aber jetzt bin ich total stolz auf uns, dass wir die ganze Tour geschafft haben.
Zurück an der Parkstation melden wir uns kurz beim Parkranger ab. Ich sage ihm, dass es der Weg ganz schön in sich hat. Er stimmt mir mit einem Nicken zu.
Als wir zurückfahren, kreisen zwei Raben, wie um uns zu verhöhnen, über einem Tal in sicherer Entfernung vor uns.
Schöner Abschluss
Nach einer heißen Dusche verbringen wir den restlichen Nachmittag wieder auf dem Sofa vor dem offenen Kamin, in dem ein warmes Feuer herrlich vor sich hin knistert.
Zum Abendessen gibt es heute Linseneintopf mit Kürbis, Karotten, Kartoffeln, Rindfleisch und Chorizo. Das schmeckt total lecker und nach der eher gemüsearmen Kost der letzten Wochen und unserer anstrengenden Wanderung ein wahrer Hochgenuss. Wir verputzen den gesamten Inhalt unseres Tellers bis auf den letzten Rest.