Unser Fazit zu Uruguay

José Ignacio

Wir haben in den letzten Wochen ein Land bereist, das bisher auf unserer Liste der zu bereisenden Länder nicht auftauchte. Bei einer Größe von 176.215 qkm und knapp 3,3 Mio. Einwohnern, von denen sich zwei Drittel in Montevideo und Umgebung konzentrieren, haben wir ein weites Land mit vielen Rindern und Schafen erlebt. Unser Aufenthalt wurde sicherlich durch die Jahreszeit – Winter – getrübt. Nicht nur, was das Wetter betrifft, sondern auch die für Touristen nicht ganz unwichtige Verfügbarkeit von Restaurants. Ein Hotel zu finden, auch kurzfristig, war hingegen kein Problem.

Wir haben tiefenentspannte Menschen getroffen, die sich durch nichts so leicht aus der Ruhe bringen lassen, die (fast) immer eine Thermoskanne und eine Tasse aus Kalebassenkürbis mit Matetee dabei haben, aus der sie genüsslich denselben mittels eines metallenen Trinkhalms (bombilla) schlürfen. Die gerne und gut essen, insbesondere (Rind-)Fleisch in rauen Mengen und am liebsten gegrillt. Menschen, die respektvoll miteinander umgehen, die uns freundlich gesonnen waren und neugierig, was wir mit dem eigenen Fahrzeug in ihrem Land machen (der Dicke mit dem deutschen Nummernschild fällt einfach auf). Immer hilfsbereit, fast immer gut drauf, nur ganz wenige missmutig. Die Sonnenuntergänge und ihr kleines Land am Río de la Plata lieben und wahnsinnig stolz auf dasselbe sind.

Für den Einstieg in unsere Südamerikareise war Uruguay ideal, erschien es uns doch sehr europäisch geprägt. Wir hatten keine Angst, nach Einbruch der Dunkelheit durch die Innenstädte zu spazieren. Das Fahrverhalten auf den Straßen war zwar gewöhnungsbedürftig, aber nicht superriskant. Von den im Reiseführer beschriebenen Sehenswürdigkeiten hatten wir uns zwar etwas mehr versprochen, aber nachdem wir erst einmal akzeptiert hatten, dass das Land keine spektulären Highlights der Superlative wie z.B. die großen Nachbarländer Argentinien oder Brasilien zu bieten hat, sondern nur „Mittelmaß“ (so die Wortwahl eines Uruguayers), erlebten wir ein äußerst angenehmes Reiseland. Montevideo braucht sich nicht hinter Buenos Aires zu verstecken; es hat seinen ganz eigenen liebenswerten Charme und mit dem Palacio Salvo DAS Haus in Montevideo schlechthin.

Meine persönlichen Highlights waren neben Montevideo, Colonia del Sacramento, die Ostküste mit feinen Sandstränden und wunderschönen Leuchttürmen, allen voran der Faro von José Ignacio.

Allerdings: Dauerhaft in Uruguay zu leben, können wir uns jetzt erst einmal nicht vorstellen. Dafür ist das Leben einfach zu teuer (die Lebenshaltungskosten sind höher als in Deutschland bei gleichzeitig sehr viel niedrigerem Einkommen).

In Salto

Salto am Rio Uruguay

Shopping

Heute ist unser letzter Tag in Salto und somit auch in Uruguay. Nach einem Hammerfrühstück, das beste, das wir mit Abstand während unserer Uruguayreise hatten, bummeln wir noch einmal durch die Stadt. In einem großen Schreibwarengeschäft lassen wir Fotokopien von Pässen, Führerscheinen und Fahrzeugdokumenten machen. Die brauchen wir vielleicht für den morgen anstehenden Grenzübertritt. Dann noch ein paar der Kosmetikartikel nachkaufen, die uns so langsam ausgehen. Da meine Schuhe leider unter den Regengüssen in Buenos Aires und Montevideo gelitten haben und sich so langsam auflösen, muss ich nach einem neuen Paar bequemer Turnschuhe suchen. Schon im zweiten Laden werde ich fündig und bin ganz glücklich darüber. Ich hatte schon die schlimmsten Befürchtungen!

Luis Suárez
In der Calle Uruguay: Salto huldigt „ihrem“ Luis Suárez

Plan B

Zurück im Hotel macht mir die Vorstellung, bei 28 Grad und Sonnenschein in heißem Thermalwasser zu planschen, schwer zu schaffen. Wir packen zwar unsere Sachen, aber wir können uns dann doch nicht überwinden, loszufahren.

So spazieren wir am Nachmittag die Uruguay bis zum Ufer des Río Uruguay hinunter auf der Suche nach einem netten Café. Fehlanzeige. An einem Stand kaufen wir ein Blätterteigteilchen gefüllt mit Dulce de Leche. Nachdem wir probiert haben, kaufen wir noch ein zweites Stück und verdrücken es auf einer nahegelegenen Bank.

Salto Uferpromenade
An Saltos Uferpromenade

Wir gehen noch ein Stück weiter in nördliche Richtung, gehen auf die ehemalige Eisenbahnbrücke und genießen die Aussicht über den Fluss. Noch ein Stück weiter finden wir eine Kneipe. Davor sitzen die Altherren des Fussballclubs und trinken genüsslich ihr Bier. Die Jungen stoßen einige Zeit später dazu. Wir setzen uns an einen der freien Tische und trinken ebenfalls den einen oder anderen Schluck. Zurück geht’s über Saltos Höhen (bergauf und bergab).

Salto Street Art
Auch in Salto gibt es kreative Leute

Der letzte Abend in Uruguay

Am Abend wollen wir eigentlich im besten Restaurant der Stadt zum Abschluss Fisch aus dem Río Uruguay essen, aber natürlich macht das Restaurant erst um 20:00 h, und damit viel zu spät für uns, auf. Wir gehen wieder zurück und finden eine Trattoria, die schon offen hat. Bei Nudeln und Livemusik (Trompete!) beobachten wir die umherfahrenden Autos. Viele fahren mehrmals an uns vorbei. Also geht’s am Samstag Abend in Uruguay auch ums Sehen und Gesehen werden.

Weiter nach Norden: Von Paysandú bis Salto

Paysandú Monumentum a la Perpetuidad

Gesamte Strecke: Ca. 120 km

Kultur in Paysandú

Nach dem Frühstück packen wir unsere sieben Sachen wieder zusammen und verstauen sie im Dicken. Zunächst fahren wir zur Casa de la Cultura, einem Haus, in dem sich früher die Freimaurer von Paysandú trafen. Heute ist es ein Kulturzentrum und angeblich auch Kunstmuseum.

Casa de las Culturas
Casa de la Cultura

Wir betreten das Gebäude. Niemand ist da. Also gehen wir weiter und schauen uns im großen offenen Raum die hängenden Bilder an. Als wir schon wieder am Gehen sind, kommt uns eine Dame entgegen und spricht uns an, was wir möchten. Wir fragen, ob wir das Gebäude besichtigen dürfen. Aber natürlich und gleich nimmt sie uns unter ihre Fittiche. Sie zeigt uns voller Stolz den Konzertsaal mit 120 Plätzen, berichtet vom System der Kulturentwicklung in der Casa und stellt uns jedem Lehrer, der gerade vorbeikommt vor. Herzlich und entspannt ist die Atmosphäre; wir können uns kaum loseisen.

Ode an die Vergänglichkeit des Seins

Doch wir müssen weiter zum Monumento a la Perpetuidad, dem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts benutzten und somit alten Friedhof der Stadt.

Kaum sind wir ein paar Schritte auf dem Hauptweg entlanggeschlendert, spricht uns eine junge Frau an und versorgt uns mit Informationen, z.B. dass alle Grabmale aus Carrara-Marmor, der per Katalog bestellt wurde, hergestellt wurden. Als nationales Monument angepriesen, stellen wir uns einen Riesenfriedhof vor. Aber leider wurden die meisten der Gräber bereits aufgelöst und von den verbliebenen haben die meisten auch schon ihre beste Zeit hinter sich. Trotzdem gefällt mir der Friedhof sehr gut, zeigt er doch auf recht anschauliche Weise die Vergänglichkeit des Menschen.

Leaving Paysandú

Um die Mittagszeit verlassen wir Paysandú bei Sonnenschein und äußerst angenehmen Temperaturen, um weiter nach Norden zu fahren. Unser Navi hat irgendwie den besonderen Drang, uns möglichst über nicht asphaltierte Straßen aus den Städten zu lotsen. Auch dieses Mal werden wir nicht enttäuscht. Und schon wieder fahren wir Richtung argentinische Grenze!

Noch weiter nach Norden bis Salto

Glücklicherweise dürfen wir vor der Grenze aber doch noch einmal nach links Richtung Salto – unserer letzten Station in Uruguay – abbiegen.
120 km bzw. knapp zwei Stunden später treffen wir in Salto ein. Auf unser Navi ist Verlass: Auf unserem Weg in die Innenstadt landen wir auf einer nicht asphaltierten Straße, die an den Bahngleisen ihr Ende findet. Also umdrehen, der Hauptstraße folgen, durchs Zentrum quälen und dann eine Ehrenrunde um den Block drehen, weil unsere Zielstraße natürlich nur in die andere Richtung befahren werden darf. Doch dann ist es geschafft und wir stehen vor dem Hotel.

Art-Déco in Salto

Zum Abschluss haben wir uns etwas ganz Besonderes gegönnt: ein Hotel in einem Art-Déco-Haus und entsprechender Einrichtung. Sobald wir das Haus betreten, fühlen wir uns um 90 Jahre in der Zeit zurückversetzt. Alle Räume, der Innenhof und der Garten sind liebevoll ein- bzw. hergerichtet. Ich bin hin und weg! Genauso hatte ich mir das vorgestellt. Und das Bett verfügt sogar über eine richtige und schön warme Decke, nicht nur über das sonst übliche Laken mit Wolldecke.

In Salto

Nachdem ich mich eingekriegt habe, drängt Knut in die Stadt. Hunger! Wieder haben die meisten Restaurants geschlossen. Dann gibt’s eben Hotdog à la Uruguay mit Schlabberbrötchen, Senf, Mayo, Ketchup und frittierten Kartoffelschnipseln.

Wir gehen die Calle Uruguay entlang und stoppen vor der Touristeninformation. Knut raucht noch und bittet mich, einen Stadtplan zu besorgen. Den Plan habe ich zwar bald in Händen (wieder werde ich mit Infos zu den Highlights der Stadt versorgt), aber so einfach komme ich jetzt nicht davon. Erst darf ich noch bei einer Umfrage des Tourismusministeriums mitmachen und mehrere Fragen beantworten. Knut kommt nach, kann er doch nicht fassen, wie lange ich für so einen Stadtplan brauche. Irgendwann bin ich durch den Fragenkatalog durch und darf die Touristeninformation verlassen.

Wir gehen auf der Calle Uruguay – der Lebensader Saltos schlechthin – weiter Richtung Ufer des Río Uruguay. In einer Seitenstraße befindet sich das imposante Teatro Larrañaga. Die Türen stehen offen und wir werden freundlich hereingebeten. Selbstverständlich können wir uns die Räumlichkeiten ansehen. Wir stehen allein in dem großen prachtvollen Saal und bewundern die schönen Deckenmalereien.

Bei hochsommerlichen Temperaturen schaffen wir es dann gerade noch bis zur Plaza de los Treinta y Tres, setzen uns im Park auf eine Bank und lassen die Uruguayer an uns vorbeiziehen. In der Kirche gegenüber versammeln sich immer mehr herausgeputzte Uruguayer. Das sieht ganz schwer nach Hochzeit aus. Bald schon kommt auch der Bräutigam mit Beifahrer stilecht im Oldtimer angefahren. Von der Braut ist weit und breit nichts zu sehen. Auch nach einer halben Stunde ist das noch so und wir kehren ins Hotel zurück, um uns von der anstrengenden Pause im Park zu erholen.

Kirche in Salto
Kirche in Salto

Entlang des Río Uruguay: Von Mercedes nach Paysandú mit Zwischenstopp in Fray Bentos

Fray Bentos Weg des Viehs

Gesamte Strecke: Ca. 170 km

Auf oder zu? Das Geheimnis um Fray Bentos

Auch nach dem Frühstück ist nicht herauszubekommen, ob heute am Feiertag Fray Bentos geöffnet ist oder nicht. Nicht einmal die Touristeninformation in Fray Bentos weiß es.
Wir beschließen, trotzdem dorthin zu fahren. Aber bitte nicht mit dem Auto über die internationale Brücke, sonst landen wir in Argentinien!

Wir schleichen über die Hauptstraße, um uns dann im Heer der Einheimischen noch langsamer dem Museo de la Revolución Industrial zu nähern. Dort angekommen parken wir erst einmal und wollen uns zu Fuß auf den Weg machen. Das ist aufgrund der schieren Größe und Weitläufigkeit aber keine besonders gute Idee. Also steigen wir wieder ins Auto ein und reihen uns in die Autokolonne ein. Nachdem wir eine – scheinbar historische – Brücke überquert haben und noch ein paar Kilometer gefahren sind, haben wir das Museumsgelände unabsichtlich schon wieder verlassen.

Fray Bentos - Über die Brücke
Über die Brücke in Fray Bentos

Also drehen wir um und starten einen neuen Anlauf. Auf einem einsamen Parkplatz parken wir nun doch und versuchen, ins Innere des Gebäudekomplexes vorzudringen. Alles ist in einem wirklich desolaten Zustand und wir wundern uns, dass das UNESCO-Weltkulturerbe sein soll.

Sonderbehandlung

Plötzlich kommt uns eine Wärterin entgegen und informiert uns, dass das Museum heute geschlossen hat und die Innenräume wegen des Feiertages eigentlich auch nicht besichtigt werden können. Aber wenn wir wollen, führt sie uns herum, aber ohne Führung natürlich. Wir nehmen dankend an und kommen so an unsere ganz persönliche Führung durch die historischen Fertigungsanlagen von Fleischkonserven. Und von wegen ohne Führung! Die Wärterin vermittelt uns voller Stolz ihr gesamtes Wissen über die einzelnen Gebäude. Es ist richtig beeindruckend, auch wenn der Zustand in den Gebäuden fast noch trauriger ist als es von außen schon den Anschein hatte.

Kaum vorstellbar, dass dies zuzeiten der beiden Weltkriege einmal die Küche der Welt gewesen sein soll, die die Truppen mit Fleischextrakt in Konserven versorgte!

Von der Casa Grande, dort wo der Eigentümer der Fabrik – der Deutsche Justus von Liebig mit seiner Familie – residierte, können wir nur den Garten besichtigen, den wir durch ein unverschlossenes Gartentürchen erreichen.

Weiter nach Norden bis Paysandú

Wir fahren weiter immer Richtung Norden. Das Weideland, das bisher unsere Route dominierte, macht nun ausgedehnten aufgeforsteten Eukalyptuswäldern Platz. Ohne besonderen Vorkommnisse auf der Strecke erreichen wir Paysandú. Unser wunderschönes kleines Hotel liegt an der Plaza Constitución. Auch am späten Nachmittag herrschen noch sommerliche Temperaturen. Wir besichtigen die an der Plaza gelegene Basilica de Nuestra Señora del Rosario.

Eigentlich wollte ich ja noch kurz zur Casa de la Cultura, aber dafür, dass wir heute ohnehin vor verschlossenen Türen stehen würden, ist der Weg dann doch zu weit. Also gehen wir immer bergauf bis zum Palacio Municipal mit seinen rosafarbenen Säulen und dann völlig erschossen zurück ins Hotel.

Paysandú Palacio Municipal
Palacio Municipal in Paysandú

Wir sind diese Temperaturen einfach nicht mehr gewöhnt. Am Abend beginnt wieder die Odyssee der Restaurantsuche. Das anvisierte ist wahrscheinlich geschlossen. Wahrscheinlich deshalb, weil wir es einfach nicht finden. So landen wir wieder in der Bar von heute Nachmittag. Auch mit Picadas und Salat werden wir satt.

Von Colonia del Sacramento bis Mercedes mit Zwischenstopps in Calera de las Huérfanas und Carmelo

Colonia Schriftzug

Gesamte Strecke: Ca. 220 km

Abschied von Colonia

Heute heißt es, von Colonia und seinem UNESCO-Weltkulturerbe historischen Altstadtkern Abschied nehmen. Nach dem Frühstück fahren wir erst einmal zur Wäscherei, um unsere Sachen abzuholen. Leider hat eines meiner Tücher die Behandlung durch den Trockner nicht überlebt und hat jetzt einen richtig langen Riss. Es ist nicht mehr zu gebrauchen. Der Dame in der Wäscherei ist es furchtbar peinlich und sie ist sichtlich erleichtert, als ich nicht ausflippe und auch keinen Preisnachlass fordere. Ich sage nur, sie solle sich keinen Kopf machen, das passiert einfach und machen können wir jetzt sowieso nichts mehr. Ich bin echt erstaunt über mich selbst. Geht doch.

Wir halten am Strand, dort wo der Namenszug Colonia prangt, und kommen keine Minute zu früh. Ein Pärchen ist gerade in den letzten Zügen seiner Fotosession, als wir aussteigen. Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie ein großer Touristenbus hält. Jetzt aber flott. Schon steigen die ersten fotografierwütigen Asiaten aus und streben in Richtung ihres Fotomotivs. Ich kann gerade drei Fotos machen, bevor die Horde den Namenszug vollständig in Beschlag nimmt und in wechselnder Besetzung davor posiert.

Ok, fahren wir weiter zur Plaza de Toros von 1910. Heute stehen nur noch die Ruinen. Trotzdem gibt es noch ein schönes Fotomotiv ab und diesmal sind wir sogar auch fast allein am „Set“. Nun verlassen wir Colonia endgültig in nördlicher Richtung.

Plaza de Toros
Plaza de Toros

Reinfall

Unser erster Stopp führt uns zur im Reiseführer empfohlenen Bodega Los Cerros de San Juan. Dieser erweist sich als echter Reinfall. Eine Führung durch den wohl fast vollständig erhaltenen Bestand an alten Gebäuden ist nur zusammen mit einer Weinverkostung zu einem stattlichen Preis möglich. Darauf können wir gut verzichten und fahren weiter.

Einsam und verlassen: Calera de las Huérfanas

Der nächste Stopp ist die Calera de las Huérfanas, eine der aufgegebenen und verfallenen Jesuitensiedlungen in Uruguay. Nach wenigen Kilometern über Sandpiste erreichen wir unser Ziel. Außer uns ist niemand da. Das Museum öffnet erst um 14:00 h. Solange wollen wir nicht warten und schlendern auf eigene Faust durch die Anlage.

Hier stehen neben den Ruinen, wegen derer wir gekommen sind, auch noch einige der ominösen Ombúbäume.

Bei strahlendem Sonnenschein und frühlingshaften Temperaturen haben wir die ganze Anlage für die gesamte Dauer unseres Aufenthaltes für uns allein. Nur die kleinen grünen Papageien haben in den Bäumen ihre Nesterkolonie und machen einen Mordsradau, wenn wir ihren Sicherheitsabstand nicht einhalten.

In Carmelo

Am frühen Nachmittag erreichen wir Carmelo. Ins Zentrum kommen wir über den Arroyo de las Vacas mittels der Drehbrücke (Puente Giratorio) von 1912, der einzigen von Hand betriebenen Brücke in Südamerika.

Wir parken an der Plaza de la Independencia für einen Chivito Classico. Bevor wir weiterfahren, stoppen wir an der Plaza Artigas, um den Templo del Carmen zu bewundern.

Auf der Ruta UNESCO nach Mercedes

Weiter geht’s auf der Ruta 9 (auf einem Schild an der Straße steht groß Ruta UNESCO), die in einem beklagenswerten Zustand ist, unserem heutigen Etappenziel entgegen.

Ruta Unesco
Unterwegs auf der Ruta UNESCO

Am späten Nachmittag erreichen dann auch Mercedes. Unser Hotel liegt direkt an der Plaza de la Independencia. Als wir parken, wird Knut gleich von einigen Jugendlichen belagert, die erst das Auto waschen, dann nur Geld und zum Schluss fürs Bewachen des Fahrzeugs 20 US-Dollar haben wollen. Nette Begrüßung!

Das Hotel verfügt zwar über einen eigenen Parkplatz, aber durch das Tor kommen nur Fahrzeuge bis maximal 2,20 m Höhe. Da passt unser Dicker mit dem Dachzelt leider nicht durch. Glücklicherweise gibt es eine bewachte Garage nur zwei Blocks entfernt, die wir nach dem Ausladen ansteuern. Nach der Spezialbegrüßung wollen wir lieber auf Nummer Sicher gehen. Leider kann auch das Hotel in Mercedes niemanden in Fray Bentos erreichen. Es bleibt fraglich, ob das Museum morgen offen hat.

Dann schauen wir uns doch mal die Highlights in Mercedes an: Die Catedral Nuestra Señora de las Mercedes mit den beiden originalen Glocken.

Weiter geht’s Richtung Ufer des Río Negro mit der Isla del Puerto. Obwohl die Sonne bereits untergeht, sehen wir hier niemanden, der Matetee schlürfend der Sonne dabei zusehen möchte. Überhaupt ist extrem wenig entlang der Uferpromenade los, um nicht zu sagen, gar nichts. Nur ein paar wenige Autos tuckern über die mehrspurige Straße. Auch um die Plaza herum oder in den abzweigenden Straßen sind nicht mehr viele Menschen anzutreffen. Alle Läden haben bereits geschlossen. Wie ausgeknipst.

Mercedes Casa de la Cultura
Hell erleuchtet: Die Casa de la Cultura in Mercedes

Ich bin fasziniert von einem Laden gleich um die Ecke unseres Hotels: eine ganze Schaufensterfront mit Thermoskannen und Zubehör rund um Uruguays Nationalgetränk: dem Mate.

Mercedes Schaufenster mit Thermoskannen
Alles für den Mate

Die Suche nach einem Restaurant gestaltet sich einfach, da an das Hotel ein kleines Restaurant angeschlossen ist, das geöffnet hat. Und es gibt tatsächlich Gemüse aus dem Wok – natürlich mit Fleisch. Ganz ohne geht es einfach nicht in einem Land mit über 14 Millionen Rinder.

In Colonia del Sacramento

Colonia Leuchtturm

Führung durchs Barrio Historico

Wir haben gestern in der Touristeninformation erfahren, dass heute um 11:00 h eine Stadtführung in englischer Sprache stattfinden soll. Wir finden uns bereits um 10:30 h in der zentralen Touristeninformation vor Ort ein und fragen die Dame am Tresen nach der Führung. Auch sie spult das komplette Programm ab, was wir alles so in Colonia machen können. Nach einigen Minuten Vortrag bestätigt sie uns den Termin der Führung. Wir sollen einfach da draußen warten, dahin kommt der Führer.

Während des Wartens:

Wir warten. Niemand kommt. Wir sind ja auch zu früh. Wir warten weiter. Kurz nach 11 taucht jemand auf und begrüßt zwei Personen. Ich mutmaße, dass das unsere Führung sein könnte. Es stimmt. Die zwei Personen sind ein Paar aus Argentinien. Sonst ist niemand mehr da.
Also findet die Führung durch Colonias historisches Viertel in spanisch und englisch statt. Wir sind schon eine ganze Weile unterwegs, als sich noch ein weiteres Paar aus Argentinien zu uns gesellt. Nun verlagert sich auch der Schwerpunkt der Erläuterungen ins spanische.
Trotzdem bekommen wir einiges an Wissenswertem zu dem zu hören, was wir gestern bereits bei unserem Rundgang gesehen haben. Und noch einige Informationen zum Leben in Uruguay im Allgemeinen und zu Colonia im Besonderen.

Leuchtturm von Colonia
Noch einmal der Leuchtturm von Colonia

Geduldsprobe

Nach gut einer Stunde ist die Führung zu Ende und wir stromern nochmals auf eigene Faust durch die mit Touristen gefüllten Gässchen. Ein Foto der ältesten Gasse – der Calle de los Suspiros (Seufzergasse) – ohne Touristen bleibt mir trotz Wartens verwehrt. Die Touristen haben hier einfach die Ruhe weg und bewegen sich nur im Schneckentempo vorwärts. Und fotografieren neben sich selbst einfach alles.

Nahrhaftes

Wenigstens zwei (Museo Municipal und Portugués) der sechs Museen von Colonia, die man mit einem Ticket (nur erhältlich im Museo Municipal) besichtigen kann, schauen wir uns an.

Soviel Kultur macht hungrig.
Bevor wir ins Hotel zurückgehen, kehren wir noch einmal in dem schönen Café von gestern ein. Die Kellnerin erkennt uns sogar wieder. Der Kaffee ist einfach klasse hier – eine Seltenheit in Uruguay. Der Kuchen natürlich auch.

Colonia Cafezeit
Einfach lecker!

0815 und ein Geheimnis um Fray Bentos

Am Naxchmittag brechen wir zu unserem Friseur- und Fußpflegetermin auf. Auf dem Weg halten wir noch einmal an der Touristeninformation. Unser freundlicher Berater von gestern ist anderweitig beschäftigt und so landen wir bei seiner Kollegin. Als wir unsere Frage stellen, ob das Museum in Fray Bentos am Feiertag am Donnerstag geöffnet hat, fängt sie an, schon wieder das Programm abzuspulen, was wir in Colonia alles machen können. Ich unterbreche sie und bitte sie um die Beantwortung meiner Frage. Sichtlich irritiert weiß sie jetzt nicht mehr, was sie machen soll. Ihr Kollege schaltet sich ein und erklärt ihr, was wir brauchen.

Hatte sich gestern schon niemand in Fray Bentos gemeldet, so hängt man heute in der Warteschleife, ohne dass sich etwas tut. Nach fast einer Viertel Stunde breche ich ab. Der junge Mann meint, wir sollen einfach morgen nochmal kommen, aber morgen reisen wir ja schon wieder ab. Wir danken ihm für seine Bemühungen und gehen weiter zu unserem Termin.

Schade eigentlich

Gerade als wir den Salon pünktlich um 15:00 h betreten wollen, schlängelt sich ein junger Mann noch vor uns hinein. So sind jetzt fünf Leute vor uns. Der Eigentümer – der Einzige im Salon, der so aussieht, als ob er Haare schneiden könne – fragt uns nach unserem Begehr. Wir sagen, dass wir heute um 15:00 h einen Termin bei ihm hätten. Ach wirklich? Er bittet uns, Platz zu nehmen und kurz zu warten. Das Wartesofa ist komplett besetzt. Also bleiben wir stehen, warten ab und beobachten. Nach einer Viertel Stunde ist klar, dass wir alle vor uns abwarten müssen, bevor wir drankommen. Und bei dem Tempo, das er vorlegt, kann das noch Stunden dauern. Wir beratschlagen kurz, dann stornieren wir den Termin (welchen Termin?) und verlassen enttäuscht den Salon.

Sonnenuntergang am Río de la Plata

Am späten Nachmittag begeben wir uns auf die Suche nach einem Plätzchen, wo wir entspannt ein Gläschen Wein bzw. Bier trinken und den Sonnenuntergang bewundern können. Wir landen an der Bastión del Carmen und finden dort genau, was wir suchen.

Die Uferpromenade ist bereits gesäumt von Einheimischen und natürlich auch Touristen, die sich vom Faible der Uruguayer für Sonnenuntergänge anstecken ließen. Die Sonnenuntergänge am Wasser, egal ob Meer oder Fluss, sind schon richtig stimmungsvoll und romantisch. Aber ich finde es einfach klasse, wie sich Jung und Alt mit der obligatorischen Mate-Ausrüstung bestückt und den Tee genüsslich schlürfend trifft, um dem Versinken der Sonne am Horizont zuzuschauen. Für einige Momente scheint die Zeit friedlich still zu stehen.

Und danach?

Kaum ist die Sonne verschwunden, steigen alle in ihr Auto, aufs Moped oder Fahrrad, oder zerstreuen sich zu Fuß. Auch die Restaurants schließen kurz nach Sonnenuntergang und öffnen dann erst wieder um 20:00 oder 21:00 h. In Uruguay wird sehr spät zu Abend gegessen und für uns ist es jeden Abend eine Herausforderung, ein Restaurant zu finden, das zum einen jetzt im Winter nicht geschlossen ist und zum anderen dann noch zu einer für den deutschen Touristen annehmbaren Zeit geöffnet hat. Bei der Iglesia Matríz werden wir fündig und lassen unseren Aufenthalt in Colonia ganz entspannt bei einem guten Abendessen ausklingen.

Von San José de Mayo nach Colonia del Sacramento mit Zwischenstopps in Nueva Helvecia und Colonia Valdense

Colonia abends

Gesamte Strecke: Ca. 130 km

Wider Erwarten

Nach dem Frühstück halten wir an der Tankstelle. Ein bisschen Smalltalk mit dem freundlichen Tankwart. Wir geben ihm 10 Pesos Trinkgeld und zum Dank bekommen wir einen kleinen Saft und Kuchen geschenkt!
Gut ausgestattet fahren wir auf der Ruta 11 zuerst nach Nueva Helvecia und anschließend nach Colonia Valdense. Beide Orte bleiben hinter unseren Erwartungen zurück.

In Nueva Helvecia:

In Colonia Valedense:

Willkommen in Colonia del Sacramento

Wir fahren weiter auf der Ruta 1 bis Colonia del Sacramento. Wir sind früh dran. Dennoch dürfen wir schon unser Zimmer beziehen. Wir haben sogar ein Upgrade bekommen und jetzt ein richtig tolles Zimmer für die nächsten zwei Nächte. Wir finden sogar einen Parkplatz schräg gegenüber vom Hotel. Er ist zwar nicht bewacht, aber wir hoffen jetzt einfach mal, dass nichts passiert.

Wir packen unsere Wäschesäcke und trotten damit durch die halbe Stadt zur Wäscherei. Wir vereinbaren die Abholung für Mittwoch Vormittag. Auf dem Weg in die historische Altstadt machen wir gleich einen Friseur- und Fußpflegetermin aus. Bei der Touristeninformation besorgen wir uns einen Stadtplan und werden von dem Angestellten dort so freundlich und hilfsbereit mit weiteren nützlichen Informationen regelrecht überschüttet.

Erste Eindrücke

Bei strahlendem Sonnenschein erreichen wir das Barrio Historico, Weltkulturerbe der UNESCO.

Colonia Weltkulturerbe
Damit man auch weiß, was jetzt kommt!

In einem kleinen Café machen wir Pause bei schmackhaftem Kaffee und Kuchen. Wir können wieder draußen sitzen (bei 14 Grad gerne wieder im Fleecejäckchen). Im Strauch an dem Haus gegenüber sammeln die kleinen grünen Papageien Material für ihre Nester. Es herrscht reger Flugverkehr!

Danach machen wir gut gestärkt einen ersten Rundgang durch die malerischen Gässchen. Und mit uns richtig viele andere Touristen, die mir einfach nicht aus dem Bild gehen wollen, wenn ich fotografieren möchte. Da wird sogar meine Geduld auf die Probe gestellt, von Knuts ganz zu schweigen.

Suchen und Finden

Nach einer Pause in unserer Superior Suite macht sich langsam, aber sicher unser Hunger bemerkbar. Knut hat im Internet eine nette Location aufgetan. Dort sollen verschiedene Sorten selbstgebrauten Bieres ausgeschenkt werden. Knut hat das Kölsch in Gedanken schon vor sich stehen. Doch als wir dort ankommen, dröhnt die Musik dermaßen laut aus den zahlreich verstreuten Lautsprechern, sodass man sein eigenes Wort nicht mehr verstehen kann. Außerdem trinken die wenigen Gäste, die sich im Restaurant aufhalten, nur Bier. Keiner nimmt feste Nahrung zu sich. Nach einem Rundgang durch die verschiedenen Räume schüttelt Knut nur den Kopf. Sein Kölsch löst sich gerade in Luft auf. Wir verlassen fast fluchtartig das Etablissement.
Gegenüber entdecken wir eine schicke kleine Bar mit leckeren Cocktails auf der Karte. Das wäre doch etwas für den Absacker danach.

Abendessen

Wir kehren wieder auf die Av. Gral. Flores zurück und wählen ein Restaurant im rustikalen Stil. Wir haben heute keine Lust auf Fleischberge; Nudeln wären eher nach unserem Geschmack. Anders als aus Deutschland bekannt, bestellt man hier Nudeln und Soße separat. Ich bin froh, dass ich zu meinen vegetarischen Raviolones Boloñesa-Soße bestelle. Das schmeckt ganz gut. Knut wählt Rigatoni mit einer Meeresfrüchtesoße. Auch das schmeckt. Der Service ist gut; es gibt – bis auf ein Haar in meiner Soße – nichts zu beanstanden.

In einer Bar in Colonia

In Colonia sind die Portionen deutlich kleiner. Da passt also gut noch ein flüssiger Absacker rein. Wir schlendern um den Block zu der bereits früher entdeckten Bar. Im kleinen Schankraum hat es sich eine größere Männerrunde bereits breit gemacht. Wir gehen nach draußen in den Patio und machen es uns unter einem Heizpilz bequem. Der Innenhof trumpft mit exotischen Pflanzen, einem plätschernden Brunnen, modernen Skulpturen, aufgespannten Sonnenschirmen und dazu einer sagenhaften Lightshow auf. Über uns funkeln die Sterne um die Wette. Wenn es jetzt 15 Grad wärmer wäre, wäre das ultimative Urlaubsfeeling erreicht. Na, dann helfen wir eben mit Frozen Maracuja-Daiquiri und Mojito etwas nach.

Colonia in der Bar
Stimmungsvoll

Wir sind die Einzigen draußen, bekommen aber immer wieder „Besuch“ von dem einen oder anderen Raucher aus dem Innenraum. Mit dem zweiten kommen wir ins Gespräch und es stellt sich heraus, dass die Männerrunde allesamt Belgier sind, die für ein belgisches Unternehmen den Río de la Plata ausbaggern, damit er für Schiffe befahrbar bleibt. Wir unterhalten uns prächtig, berichten natürlich auch von unseren weiteren Plänen. Auch mit dem Nächsten kommen wir gleich ins Gespräch. Als wir die Bar verlassen, winken uns plötzlich alle aus der Runde zu und wünschen uns für unsere Reise durch Südamerika alles Gute.

Auf dem Rückweg zum Hotel drehen wir noch eine Runde durchs Barrio Historico und genießen die stimmungsvolle Atmosphäre.

Go West! Nach San José de Mayo mit Zwischenstopp in Minas

Gesamte Strecke: Ca. 380 km

Heute steht uns die bisher längste Etappe mit gut 380 km bevor. Am Morgen hatte es gerade mal zwei Grad, aber die Sonne kämpft sich schon durch den Dunst. Nach dem Frühstück geht es auf der Ruta 8 immer Richtung Südwesten. Eingezäuntes hügeliges Weideland mit Kühen und Schafen soweit das Auge reicht. Ab und zu mischen sich auch einmal ein paar Nandus unter die Grasenden. Besonders saftig sieht das gelbbraune Gras ja nicht gerade aus. Grün sind eigentlich nur die stattlichen Eukalyptusbäume, die hin und wieder den Weg säumen.

Nach etwa der Hälfte der Strecke machen wir in Minas einen Stopp, um uns mit dem obligatorischen Hamburger oder Schnitzelwecken zu stärken. Zum ersten Mal ist es angenehm warm, sodass wir mit Fleecejacke draußen essen können. So haben wir auch unseren vollbepackten Dicken ganz gut im Blick. Und kaum zu glauben: Wir werden von einem Uruguayer auf deutsch angesprochen, der unser Auto entdeckt hat und Freunde und Verwandte in Deutschland hat. Auch bemerkenswert: Das schönste Gebäude am zentralen Platz ist das der Polizei. Soviel zu den Highlights von Minas.

Minas
Das Polizeigebäude in Minas

Wir schrubben weiter Kilometer. Im weiteren Speckgürtel von Montevideo und Canelones wechseln wir innerhalb des verzweigten Netzes an Rutas munter zwischen denselben. Glücklicherweise sind alle asphaltiert, sodass wir gut vorankommen. Das letzte Stück bis San José de Mayo fahren wir auf der gut ausgebauten Ruta 11.
Die Sehenswürdigkeiten von San José sind auch in der Dunkelheit schnell abgehakt. Auch hier haben viele Restaurants geschlossen. Aber im Theatercafé ist noch ein Plätzchen für uns frei. Da wir nur noch eine Kleinigkeit essen möchten, passt das gemütliche Café wunderbar für uns.

Quebrada de los Cuervos

Quebrada de los Cuervos

Gesamte Strecke: Ca. 60 km von der Estancia zur Schlucht und wieder zurück; 3 km Rundwanderung in der Schlucht

Auf zur Rabenschlucht

Nach unserem Frühstück brechen wir mit dem Auto zur Quebrada de los Cuervos, der Rabenschlucht, auf. Also durch vier Gatter wieder zurück, dann auf die Ruta 8 und dann zwischen km 307 und 306 beim Hinweisschild von der Ruta 8 auf die Sandpiste abbiegen. Nach 24 km soll die Einfahrt zum Park kommen. Auf dem Weg dorthin sehen wir grasende Kühe, Pferde, Schafe und Nandus.

Nach 27 km stehen wir vor einer undefinierbaren Weggabelung. Ein Schild zur Schlucht deutet in die Richtung, aus der wir gekommen sind. Das kann doch gar nicht sein!
Also lassen wir uns nicht beirren und fahren einfach weiter. Ein einsames Gehöft und eine verwaiste Schule weiter, also ungefähr drei km, kommen uns doch Zweifel. Bei der nächsten Abzweigung drehen wir um und müssen jetzt erst einmal ein paar Rinder, die meinen gerade jetzt ihre Weidegründe wechseln und dafür am besten die Straße nutzen zu müssen, vorbeiziehen lassen.

Quebrada de los Cuervos Fahrt
Rindwechsel

Tatsächlich finden wir nach sechs km auch prompt die Einfahrt zum Park. Da sind wir vorher wohl etwas zu flott daran vorbeigebrettert.

Eine Entscheidung mit ungeahnten Folgen

Nach der Registrierung beim Parkwächter erhalten wir von demselben zwei Vorschläge für eine Erkundung des Parks. Entweder 500 m bis zum Aussichtspunkt über die Schlucht oder ein drei km langer Rundweg mit einer Gehzeit von zwei Stunden. Beim Rundweg sollen wir etwas achtgeben. Wegen des Regens gestern könnte der Weg etwas rutschig sein. Mit dem Auto dürfen wir noch einmal zwei km bis zum zweiten Parkplatz fahren. Voll motiviert wie wir sind, entscheiden wir uns für den Rundweg.

Quebrada de los Cuervos Tafel
Wanderwege in der Rabenschlucht

Zur Einstimmung: Es geht aufwärts

Der Weg führt über Stock und Stein durch Flechten behangenen und mit sattem grünen Moos überzogenen Wald zunächst sanft bergan. Über mehrere schmale Wasserläufe führen uns kleine Holzbrücken immer weiter nach oben. Nach der letzten Brücke kommt der erste knackige Anstieg. Obwohl es bewölkt und feuchtkühl ist, kommen wir ganz schön ins Schwitzen und sind echt froh, als wir diese Hürde genommen haben.

Abstieg in die Schlucht

Jetzt geht es erst einmal eine Weile fast eben durch knapp mannshohe Sträucher und Bäume. Von hier hat man einen guten Blick auf die felsendurchzogenen kargen grasbewachsenen Hügelketten. Wasserrauschen kommt immer näher und plötzlich führt der schmale Pfad an dicken Seilen entlang steil nach unten. Die spitzen Steine und Felsbrocken, die den Abstieg bilden, sind wegen der Feuchtigkeit echt nicht ohne. An manchen Stellen kommen wir dem tosenden Abgrund schon gefährlich nah. Das war also mit peñasco (Berggrat) gemeint. Ich bin echt erleichtert, als wir heil unten beim Flusslauf angekommen sind. Ab jetzt geht’s ganz gemütlich am Wasserlauf entlang.

Überraschungen

Doch schon nach wenigen hundert Metern zeigt der Wegweiser nach rechts ins Flussbett. Ok, aber da ist doch gar kein Weiterkommen und ein Weg ist da auch nicht zu erkennen. Dafür viel schnell fließendes und an manchen Stellen ordentlich tiefes Wasser. Das soll wohl ein Scherz sein! Da kommen wir nie und nimmer durch!

Knut schlägt vor, dass wir das Flussbett verlassen und es den etwas oberhalb im Wald verlaufenden und eigentlich gesperrten Weg mal versuchen. Dieser Vorschlag erweist sich als rettende Lösung, kreuzt auch schon bald der vermeintliche Weg durchs Flussbett diesen Weg.

Quebrada de los Cuervos Fluss
Trügerische Idylle

Nach ein paar Metern müssen wir einen schmalen Bachlauf – dieses Mal ohne Brücke – überqueren. Ich komme trockenen Fußes und unversehrt auf der anderen Seite an. Knut hat etwas weniger Glück und stößt sich Stirn, Augenlid und Wange an einem spitzen tiefhängenden Ast. Blut fließt. Aber nach einer kurzen Pause geht es auch schon weiter.

Knut schwer verletzt …

Wenn ich ein Gemslein wär‘ …

Und ab jetzt – wir haben wohl die Mündung der Schlucht erreicht – geht es nur noch bergauf. Aber wie! Wir müssen uns an Seilen über Steine und Felsen hochziehen. Dann wieder über Felsgrate krabbeln. Das Ganze gleicht mehr einem Klettersteig als einem Wanderweg. Und ich bin definitiv keine Bergziege! Bald schon merke ich, wie anstrengend und kräftezehrend diese Art von Aufstieg ist und ein Ende ist noch lange nicht in Sicht. Immer wieder müssen wir eine Pause einlegen und verschnaufen. Und das letzte Stück ist die Krönung und nochmal besonders steil. Noch einmal in einer letzten Kraftanstrengung am Seil hochziehen, dann stehen wir völlig außer Atem auf der hölzernen Aussichtsplattform.

Quebrada de los Cuervos Abstieg
Der letzte Aufstieg – von oben gesehen

Und jetzt ist mir auch klar, warum man den Weg nicht in umgekehrter Richtung gehen kann.

No bajar
Wohl wahr!

Am Ende

Die Aussicht von der Plattform ist grandios!

Quebrada de los Cuervos

Aber wo sind denn bitteschön die Raben, die hier sein sollen und der Schlucht ihren Namen verliehen haben? Nichts zu sehen. So wie übrigens während der ganzen letzten zweieinhalb Stunden kein Tier zu sehen oder zu hören war. Und Menschen sind uns auch keine begegnet.

Nach einer angemessenen Pause nehmen wir die letzten 500 m in Angriff.
Geschafft! Wir sind zurück am Auto und am Ende unserer Kräfte.

Wenn ich resümiere: Jedes Mal, wenn ich dachte, wir hätten den schlimmsten Teil der Strecke hinter uns, kam immer noch ein größeres Schmankerl daher. Wenn ich vorher gewusst hätte, was da auf uns zukommt, hätte ich wahrscheinlich nur die 500 Metertour machen wollen, aber jetzt bin ich total stolz auf uns, dass wir die ganze Tour geschafft haben.

Zurück an der Parkstation melden wir uns kurz beim Parkranger ab. Ich sage ihm, dass es der Weg ganz schön in sich hat. Er stimmt mir mit einem Nicken zu.
Als wir zurückfahren, kreisen zwei Raben, wie um uns zu verhöhnen, über einem Tal in sicherer Entfernung vor uns.

Schöner Abschluss

Nach einer heißen Dusche verbringen wir den restlichen Nachmittag wieder auf dem Sofa vor dem offenen Kamin, in dem ein warmes Feuer herrlich vor sich hin knistert.
Zum Abendessen gibt es heute Linseneintopf mit Kürbis, Karotten, Kartoffeln, Rindfleisch und Chorizo. Das schmeckt total lecker und nach der eher gemüsearmen Kost der letzten Wochen und unserer anstrengenden Wanderung ein wahrer Hochgenuss. Wir verputzen den gesamten Inhalt unseres Tellers bis auf den letzten Rest.

Ins Landesinnere: Von Punta del Diablo zur Quebrada de los Cuervos mit Zwischenstopp in Treinta y Tres

Landschaft

Gesamte Strecke: ca. 200 km

Bei Wind und Wetter

Am frühen Morgen setzt der für die Nacht angekündigte Regen ein. Es regnet immer noch, als wir aufstehen und uns reisefertig machen. Nach Frühstück und Auschecken erwischen wir einige regenfreie Minuten, um den Dicken zu beladen. Grau und trist hängen die Wolken heute ganz besonders tief.

Auf und neben der Piste

Nach wenigen Kilometern biegen wir links ab auf die Ruta 14, die schon bald danach in eine Sandpiste übergeht. Auf der schnurgeraden Straße rumpeln wir zielsicher ins Landesinnere.

Fahrpause auf der Sandpiste
Pause bei Wind und Wetter – irgendwo auf der Ruta 14

So weit das Auge reicht: leicht hügeliges Weideland in grün und braun, unterbrochen von einzelnen Palmen und Eukalyptusbäumen. Die Pfosten der Zäune sind mit Moosen und Flechten bewachsen. Auf den Wiesen steht an einigen Stellen das Wasser, wenn nicht ohnehin schon ein kleiner Teich oder ein träges Flüsschen hier seinen angestammten Platz hat.

Teilweise stehen die grasenden Kühe bis zum Bauch im Wasser und könnten jedem Wasserbüffel Konkurrenz machen. Es scheint sie nicht weiter zu kümmern. Störche und Reiher staken durch die Pfützen. Auch ein paar Nandus sind unterwegs. Selbst die Schafe sind hier grau, als ob ihr Wollpelz mit Flechten durchzogen wäre.

Immer weiter

Es fängt schon wieder an zu regnen. Nach einiger Zeit blitzt und donnert es auch um uns herum. Die Straße wird immer wilder und holpriger. Häuser und sonstige menschliche Behausungen sind seltene Ausnahmen. Nach knapp über 50 km Schotterpiste erreichen wir Lasconas. Als wir an der Tankstelle im Ort haltmachen und aussteigen, stellen wir fest, dass unser Dicker ganz schön rostrot gesprenkelt und richtig schön versifft aussieht.

An der Tankstelle selbst bekommen wir nur den schwefelhaltigeren Diesel; den anderen haben sie gerade nicht. Sicherheitshalber tanken wir mal nur 20 Liter. Während der Diesel in unseren Tank fließt, kommen wir mit den Tankwarten ins Gespräch und bevor wir weiterfahren frage ich, ob die Straße so abenteuerlich bleibt. Nein, nein, ab jetzt ist sie asphaltiert. Abgesehen von zahlreichen „schlagenden Löchern“ stimmt das auch.

In Treinta y Tres

Weitere 80 km später erreichen wir Treinta y Tres. In der Zwischenzeit sind wir fast drei Stunden unterwegs und der kleine Hunger zwischendurch meldet sich ganz sachte. Wir beschließen, im Zentrum eine Pause zu machen und eine Kleinigkeit zu essen. Der Ort findet nicht einmal eine kurze Erwähnung im Reiseführer und bald ist auch klar, warum. Es ist einfach eine Ansammlung von Häusern ohne architektonische Highlights.

Treinta y Tres Gemüseladen
Highlight in Treinta y Tres: Eine Auswahl an Süßkartoffeln

In einer Bäckerei kaufen wir bei einer super missmutigen Verkäuferin zwei Milanesas al Pan. Obwohl zwei Tische mit Stühlen im Verkaufsraum stehen, macht die Verkäuferin nicht den Eindruck, als ob sie uns hier willkommen heißen möchte. Dann essen wir eben kurz im Auto. Kaum sind wir eingestiegen, wird es draußen plötzlich immer dunkler. So dunkel, dass um die Mittagszeit die Straßenbeleuchtung angeht. Dann ein Blitz und ein Donner und es fängt an zu schütten und zu hageln.

Treinta y Tres Hagel
Hagel prasselt auf den Dicken

Binnen weniger Minuten ist unsere Parkbucht geflutet. So viel wie von oben runterkommt, kann der Abfluss gar nicht aufnehmen. Dazu die Hagelkörner, die sich auf dem Gehweg stapeln und wir im Auto mittendrin im Getöse. Bevor wir noch absaufen, fahren wir doch lieber weiter. Kaum haben wir die Stadt verlassen, hat der Spuk auch schon ein Ende und es klart auf.

Stilecht auf einer Estancia logieren

Nach weiteren 60 km kommen wir an die Abzweigung zu unserer heutigen Unterkunft: einer Estancia mit Weideland und Pinienbestand. Nach drei km und ebenso vielen Gattern stehen wir vor dem stattlichen Gebäude mit eigenem Turm. Ich schlage die Glocke am Eingangstor und schon eilt uns der Hausherr entgegen. Nach einem Rundgang durchs Haus und Beziehen unseres Zimmers machen wir es uns mit einer Tasse Kaffee am Kaminfeuer bequem.

Draußen ist es immer noch ungemütlich, aber morgen soll das Wetter schon wieder gut sein. Zum Abendessen gibt es stilecht Rindfleisch (mit Brot und Salat). Auch ein kleines Dessert ist noch drin.