Von Bagua nach Nuevo Tingo

Weites Utcubambatal

Gesamte Strecke: 254 km (inklusive der Exkursion nach Leymebamba)

Tropenfeeling am Morgen

Dank Klimaanlage und Ventilator finden wir bei angenehmen 25 Grad im Zimmer den ersehnten Schlaf. Doch bereits morgens um 8:30 h laufen wir gegen eine schwülwarme Wand von 28 Grad, als wir unsere Zimmertür öffnen.

Kundenservice der besonderen Art …

Beim Frühstück haben wir einen wunderschönen Ausblick auf einen Betonrohbau. Versteckt hinter mehreren alten Holzschränken befindet sich aber wohl die Küche.
Zunächst interessiert sich niemand für unsere Wünsche. Dafür sitzt die junge Frau von der Rezeption gemütlich an einem der Tische und genießt sichtlich ihr Frühstück. Als sich dann doch noch jemand erbarmt, wird unser Wunsch nach einem Milchkaffee gleich mit dem Hinweis quittiert, dass wir die Milch extra bezahlen müssten, weil die nicht in unserem Frühstückspaket enthalten sei. Diesen massiven Einschnitt in unser Budget werden wir gerade noch mal verkraften können. Zu unserem Bedauern bekommen wir dann nicht mal frische Milch, sondern eine große Kanne Kondensmilch. Auch das werden wir überstehen.

… auch beim Bezahlen

Beim Auschecken sticht mir wieder das große Schild auf der Theke in die Augen, wonach man hier mit VISA bezahlt. Hätten wir gestern ja auch gerne, aber eben besagte junge Frau bestand ganz vehement auf Barzahlung. Wir bezahlen Knuts Bier von gestern Abend und die Kondensmilch von heute Morgen zu Preisen wie im Fünf-Sterne-Hotel. Egal. Machen wir, dass wir weiterkommen.

Aus Río Marañón wird Río Utcubamba

Im Dicken zeigt das Innenraumthermometer stolze 29 Grad. Und das um nicht mal 10:00 h morgens!
Zunächst gurken wir auf der AM-101 durch die von Landwirtschaft geprägte Landschaft. In der Nacht muss es etwas geregnet haben, denn in den Schlaglöchern auf der Straße dümpeln kleine Pfützen.
In Bagua wechselt auch der unseren Weg begleitende Fluss. Der Río Marañón nimmt hier den Río Utcubamba auf. Und somit fahren wir jetzt an den Ufern des Río Utcubamba entlang.
Da die Straße zunächst etwas oberhalb des Flusses entlangführt, haben wir von oben einen schönen Ausblick auf den Fluss, die umliegenden Berge und natürlich die Reis-, Gemüse- und Zuckerrohrfelder. Auf einem Feld werden auch gerade riesige Wassermelonen geerntet.

Fruchtbares Flusstal

In Bagua Grande stoßen wir wieder auf die 5N, füllen schnell noch unseren Tank und dann geht die Fahrt entlang des Río Utcubamba auch schon weiter. Der beachtliche Fluss hat hier eine ganz schön breite Schneise in die Anden getrieben. An seinen Ufern wachsen auch hier Reis, Mais, Gemüse, Bananen und wohl auch Baumwolle. Die kann ich jedoch nirgends ausmachen. Wahrscheinlich flitzen wir einfach zu schnell vorbei.

Noch mehr Reisfelder
Noch mehr Reisfelder

Eine Naturgewalt fordert ihren Tribut

War schon auf der 5N die eine oder andere Unebenheit auf der Straße zu erkennen, so wird es deutlich ungemütlicher, als wir beim Verkehrsknotenpunkt Pedro Ruíz die 5N verlassen und nach rechts auf die 8B einbiegen.

Langsam geht's wieder bergauf
Langsam geht’s wieder bergauf und noch ist die Straße in Topzustand …

Selbst in der Trockenzeit führt der Río Utcubamba immer ordentlich Wasser. Jetzt zur beginnenden Regenzeit füllt er sein breites Flussbett aber schon sehr gut aus. Da die Straße oft sehr nah am Fluss entlangführt, kommt es häufig zu Unterspülungen und Fahrbahnabsenkungen. Ganz zu schweigen von den Steinschlägen und Erdrutschen von den teilweise senkrecht emporragenden Steilwänden.

Wir erweitern unseren spanischen Sprachschatz um Wörter wie „Falla Geológica“, „Hundimiento“ und „Zona de Derrumbes“. Und all das erleben wir auch live während unserer Fahrt. Wie auch eine partielle Straßensperrung. Da müssen Bauarbeiter erstmal die von einem Erdrutsch verschüttete Straße wieder freischaufeln. Der Straßenabschnitt sieht entsprechend demoliert aus. Trotzdem: Wir können weiterfahren. Das ist die Hauptsache!

Fahrbahn nach Erdrutsch
Die Fahrbahn nach einem Erdrutsch

Ankunft in Nuevo Tingo

Nach dreieinhalb Stunden Fahrzeit haben wir die 150 Kilometer bis zu unserer Unterkunft in Nuevo Tingo auf ca. 1.700 m hinter uns gebracht.
Wobei das neue Hotel zwischen 8B und Fluss liegt und somit eigentlich doch nicht in Nuevo Tingo. Denn das wurde auf einem Hügel neu gebaut, nachdem Tingo Viejo infolge eines Erdrutsches, ausgelöst durch ein Erdbeben, unter den Wassermassen des Río Utcubamba begraben worden war. Aber lassen wir solche Spitzfindigkeiten.

Unbekannte Baumfrucht
Unbekannte Baumfrucht

Oh! Aber wie angenehm frühlingshaft und erträglich sind hier die Temperaturen! Was so ein paar Höhenmeter gleich ausmachen!

Anders als erwartet

Vor dem Hotel tummeln sich eine Menge junger Leute. Es ist Samstag Nachmittag und es herrscht ausgelassene Wochenendpartystimmung. Heiße Latinorhythmen umgeben das Hotel.
Eine junge Frau mit Sonnenbrille begrüßt uns kurz und stellt sich als die Eigentümerin des Hotels vor. Dann reicht sie uns gleich an eine ihrer Mitarbeiterinnen weiter, die uns unser Zimmer zeigt. Im Flur dröhnen die Bässe. Aber wie! Man versteht sein eigenes Wort nicht mehr. Und wir erhalten die Information, dass das den ganzen Nachmittag und Abend auch noch so weitergehen wird. Also nichts von wegen ruhiger Fluss- und Alpenpanoramaidylle!

Flucht nach vorne

Da es erst früher Nachmittag ist, beschließen wir, der Geräuschkulisse zu entfliehen und uns das viel gelobte Museum in Leymebamba anzuschauen.
Wir fahren also etwa weitere 50 km auf der 8B, immer entlang des Flusses, quasi bis zu seiner Quelle in Leymebamba.

Landschaft entlang der 8B
Flusslandschaft entlang der 8B nach Leymebamba

Abenteuer 8B

Diese eineinhalb Stunden Fahrt sind echt ein Erlebnis, mitunter geradezu abenteuerlich.
Die Stellen, an denen die Straße aufgrund der geographischen Gegebenheiten – rechts der Fluss, links der Steilhang oder umgekehrt – zwangsweise einspurig wird und immer gerade dann auch ein Auto oder gar ein LKW entgegenkommt, lassen zumindest meinen Adrenalinspiegel das eine oder andere Mal ansteigen.
Auch die Fahrt mit dem Dicken durch die schmalen Gassen der auf dem Weg liegenden Bergdörfer kann in puncto Adrenalinkick problemlos mithalten.
Knut meistert aber jede dieser Situationen mit Pokerface und Bravour!

Wilder Utcubamba
Wilder Río Utcubamba

Ankommen. Runterkommen.

Beim Museum in Leymebamba auf 2.210 m angekommen, brauchen wir jetzt erstmal eine Pause – und etwas zu essen – bevor wir uns dem Museum mit seinen vielen Mumien widmen könn.

Während wir so vor uns hin mümmeln, erfahren wir von einer Einheimischen, dass wir klingeln müssen, wenn wir ins Museum wollen. Danke für den Tipp!

Im Museo Leymebamba Centro Mallqui

Nachdem wir auch diese Hürde genommen haben, starten wir unseren Rundgang durch das erstaunlich kleine Museum.
Ausgestellt wird vor allem der Inhalt der bei der Laguna de los Cónderes gefundenen Begräbnisstätte der Chachapoya aus der Präinkazeit.
Das heißt für uns, dass wir 200 Mumienbündel, zusammengefercht in einem abgeschlossenen klimatisierten Raum, bestaunen dürfen. Ganz schön makaber!

Die Mumien von der Laguna de los Cóndores
Die „ausgepackten“ Mumien von der Laguna de los Cóndores …
Holzummantelung der Mumien in den Sarkophagen
… und ihre Holzummantelungen in den Sarkophagen

Im Gegensatz dazu werden die Grabbeigaben aus allen möglichen Materialien ganz anschaulich und ansprechend in Glasvitrinen präsentiert.

Skurril: Ein Täschchen aus Meerschweinchenhaut
Für uns die skurrilste Grabbeigabe: Ein Täschchen aus Meerschweinchenhaut!

Nach all den Vorschusslorbeeren hatten wir uns unter dem Museum so etwas in Richtung bahnbrechend spektakulär vorgestellt und sind nun von der Realität doch ein klein wenig enttäuscht.

Originalfundort versus Museum

Wie auch die Grabhäuschen von Revash oder die Sarcófagos de Karajía wurden die Mausoleen der Laguna de los Cóndores in eine schmale Felsnische gebaut und durch einen Felsüberhang vor Regen geschützt.
Alle drei Stellen können in zum Teil mehrtägigen Trekkingtouren durch schlammiges bis unwegsames Gelände erreicht werden. Trittsicher und schwindelfrei sollte man zudem sein. So weit geht unsere Abenteuerlust dann doch nicht. Diese Touren überlassen wir gerne den jüngeren oder wagemutigeren Perureisenden.
Uns reichen die Modelle und Anschauungsstücke im Museum oder vom Souvenirshop.

Zurück nach Nuevo Tingo

Wir fahren auf demselben abenteuerlichen Weg wieder zurück bis zum Hotel.

Auf der Fahrt vom Museum zurück ins Utcubambatal
Auf der Fahrt vom Museum zurück ins Utcubambatal

Die Sonne steht jetzt so gegen 17:00 h schon recht tief und überzieht die Berghänge mit einem weichen und warmen Licht.

Im Spätnachmittagslicht
Flusslandschaft im Spätnachmittagslicht

Schwer was los

In der Zwischenzeit hat das im Garten des Hotels stattfindende Beachvolleyballturnier seinen Höhepunkt erreicht. Knut stürzt sich mit ins Getümmel, das gefühlt aus dem gesamten Dorf besteht. Ich dagegen brauche eine Verschnaufpause. Ruhe ist mir jedoch aufgrund der ohrenbetäubenden Beschallung der gesamten Umgebung nicht vergönnt.

So hatten wir das nicht gebucht …

Obwohl in der Hotelbeschreibung die Rede von einem Restaurant in fußläufiger Entfernung war, müssen wir feststellen, dass das Restaurant entweder geschlossen oder noch gar nicht eröffnet worden ist.
Jedenfalls kommen wir gegen Entgelt in den Genuss der lokalen Grillspezialitäten wie Hühnerspieß und kalte Kartoffeln. Zum Essen werden wir aber von den anderen Partygästen getrennt und auf dunklen Pfaden zu einer Art Rastplatz geführt.
Außerdem funktioniert das WLAN nicht. Und Netzabdeckung gibt’s hier auch keine. Willkommen in der abgeschiedenen Bergwelt Nordperus!

… und das definitiv auch nicht!

Ach, wie schön wäre jetzt endlich auch einmal noch etwas Ruhe!
Die ist uns aber bis weit nach Mitternacht nicht vergönnt.
Ich muss immer wieder an unser Hotel in Chiclayo denken. Dort hatten wir uns extra noch ein ruhigeres Zimmer geben lassen, weil die gebuchte Suite (wie angeblich alle Suiten) zur Hauptstraße hin lag und uns der Verkehrslärm zu laut erschien.
Nach dieser Nacht wissen wir, wie sich echter Lärm in Peru anhört!