Gesamte Strecke: 100 km
Erste Erkenntnisse zur Ruta 40
Die Ruta 40 ist die Haupttransversale in West-Ost-Richtung, wobei der steile Bergabschnitt zwischen Armenia und Ibagué als einer der kompliziertesten Abschnitte gilt.
Da die Straße größtenteils stark erneuerungsbedürftig ist und zudem der Strecke die Gefährlichkeit etwas genommen werden soll, wird nach Jahrzehnten der Planung (und einer zweiten Ausschreibung wegen Missmanagements) nun endlich an der Strecke gebaut.
Dafür wird seit 22.01. (super Timing!) der Abschnitt zwischen Calarcá und Cajamarca von Montag bis Donnerstag in der Zeit von 22:00 h bis 5:00 h komplett gesperrt.
Das war also der Grund für die seltsame Routenführung von GoogleMaps vorgestern Abend.
Und heute?
Wenn alles gut läuft, kann man theoretisch auf der Ruta 40 in dreieinhalb Stunden von Ibagué nach Armenia kommen. Theoretisch.
Als wir heute morgen im Portal von INVÍAS (Instituto Nacional de Vías: für die Fernstraßen verantwortliche Agentur in Kolumbien) im Menüpunkt „Viajero Seguro“ nachschauen, werden drei Ereignisse auf der Strecke Ibagué – Armenia angezeigt:
1. Die Totalsperrung in der Nacht,
2. Eine Teilsperrung bei Kilometer xy (aber einspurig befahrbar) und
3. Ein Erdrutsch bei Cajamarca und Vollsperrung – eingetragen heute Morgen um 7:30 h. Leider ohne Angabe, wie lange die Straße voraussichtlich gesperrt sein wird.
Abwägen
Was machen wir jetzt?
GoogleMaps schlägt die Route über die Ruta 40 vor.
Die Alternativroute über die Ruta 50 (sofern man überhaupt von Alternative sprechen kann) ist mehrere hundert Kilometer länger und würde so um die sechs Stunden dauern.
Wir fragen an der Rezeption des Hotels und die rufen bei einer Hotline an. Da bekommen sie die Antwort: Die Route „La Línea“, also genau unser Abschnitt, ist frei und kann befahren werden.
Nach Abwägen des Für und Wider entscheiden wir uns fürs „Risiko“ und nehmen die vorgeschlagene Route über die Ruta 40. Eine Entscheidung mit ungeahnten Folgen.
Voller Zuversicht
Nachdem wir erst einmal den Einstieg in die Ruta 40 gefunden haben, kommen wir die ersten 25 Kilometer auch ganz gut voran. Abgesehen davon, dass es auf der schmalen und unübersichtlichen Bergstrecke nicht ganz einfach ist, am Schwerlastverkehr vorbeizukommen, der sich auch noch ständig gegenseitig überholt.
Stillstand
Bestimmt sieben Kilometer vor Cajamarca geht dann aber erst einmal nichts mehr. Wir stehen im Stau und warten. Und warten. Und warten.
Hoffnung
Mehrere Straßenhändler kommen vollbeladen auf ihren Mopeds angebrummt und bieten Speisen und Getränke an.
Nach einer guten Stunde ringen wir uns durch und fragen einen der Händler, ob er weiß, was los ist.
Er nickt und meint: Erdrutsch und ein Kleinwagen darunter verschüttet. Es gibt Verletzte. Aber es müsste bald weitergehen.
Irrtum
Das tut es auch, wenn auch schleppend, und wir belächeln (noch) die ersten Ungeduldigen, die bereits umgekehrt sind.
Bis hinter Cajamarca kommen wir noch im Stop-and-Go-Modus, aber dann tut sich für lange Zeit nichts mehr.
Auch wir …
Als es mal wieder ein Stückchen vorangeht, lassen wir uns von den Spezialisten anstecken, die an der Kolonne einfach vorbeiziehen. Dabei wollten wir doch nur die drei LKWs vor uns überholen, damit wir endlich mal ein bisschen mehr sehen. Aber jetzt gibt es keine Lücke mehr zum Einscheren.
Mit extremem Unbehagen müssen wir die Flucht nach vorne antreten. Hoffentlich wird die Straße nicht so schnell wieder für den Gegenverkehr aufgemacht!
War’s das wert?
Mit Müh‘ und Not quetschen wir uns in einer Kurve in eine winzige Lücke.
Kurze Zeit später frage ich Knut, was denn hier so nach totem Hund riecht.
Wir tippen auf den LKW vor uns. Der entpuppt sich nämlich als Müllwagen. Ach deshalb auch die Lücke!
Auch als wir ihn bei nächster Gelegenheit überholen und dann schon drei Fahrzeuge von ihm entfernt sind, stinkt es immer noch bestialisch. Und gerade jetzt stecken wir wieder einmal völlig fest und es bewegt sich gar nichts mehr.
Was wir nicht ahnen: Daran wird sich in den nächsten Stunden nichts mehr ändern. Am Gestank um uns herum somit auch nicht.
Kommt es noch schlimmer?
Da wir sonst nichts anderes zu tun haben, malen uns schon mal unsere Situation aus, wenn um 22:00 h die Straße gesperrt wird und wir kollektiv auf der Strecke übernachten müssen.
Am Steilhang ins Dachzelt zu krabbeln, umgeben von einer stinkenden Müll-Aura, stellen wir uns nicht besonders amüsant vor.
Aber jetzt warten wir erst mal ab. Was sollen wir auch sonst tun?
Endlich vorbei! Wirklich?
In der einsetzenden Dämmerung erreichen wir endlich die Stelle, an der der Erdrutsch war und an dem wir nun einspurig vorbeigeleitet werden. Polizei und eine Art Straßenwacht beobachten aber weiter äußerst angespannt die Situation am Steilhang.
Jetzt geht es zwar langsam etwas flotter voran, aber wir müssen ja noch an der Teilsperrung vorbei. Und einen Unfall auf der Strecke und wieder Stau dürfen wir auch noch überstehen.
Des einen Freud…
Vom höchsten Punkt der Strecke „El Alto“ auf über 3.000 m Höhe bekommen wir außer dem Hinweisschild nichts mit. Die tolle Aussicht fällt der Dunkelheit zum Opfer.
Doch wir sind trotzdem guter Dinge: Nach dieser letzten Abfahrt befinden wir uns im Landeanflug auf Armenia.
Aber die Armen (vor allem die LKW-Fahrer) auf der anderen Straßenseite haben mein tiefstes Mitgefühl, haben sie die ganze Malaise doch noch vor sich.
Nicht mehr weit
Wir meistern auch Armenias umständliche Auf- und Abfahrten der Umgehungsstraßen in der Dunkelheit. Jetzt noch durch ein um die Uhrzeit quasi ausgestorbenes Dorf, dann über Schlagloch- und anschließend Schotterpiste bis zu unserer Unterkunft.
Um 22:00 h stehen wir vor dem Tor und als Knut aussteigt, um nachzuschauen, öffnet es sich auch tatsächlich sofort.
Der Vater unseres Vermieters hat schon auf uns gewartet, wobei wir eher davon ausgehen müssen, dass er bereits den ganzen Nachmittag und Abend mit Warten zugebracht hat.
Geschafft
Wir werden noch durchs ganze Haus geführt, erhalten die ersten organisatorischen Unterweisungen und dann werden wir endlich uns selbst überlassen.
Nach 14 Stunden nahezu völligen Stillstands in einem heißen Dicken bei sommerlichen Außentemperaturen sind wir für heute bedient.
Nur noch ein Bier zum Runterkommen und dann fallen wir völlig erledigt ins Bett.
Das war bisher mit Abstand die schlimmste Etappe auf unserer Südamerikareise!
Wiederholung absolut unerwünscht!!!